Warum wir Dinge tun, andere nicht machen wollen und wieder andere nicht
lassen können, beschäftigt Psychologen und Hirnforscher. Bei ihrer Suche
nach dem Wesen der Motivation entdecken sie, was Geld, Fruchtsaft und
erotische Bilder gemeinsam haben.
Jetzt noch nicht, denken morgens tausende Menschen und drücken die
Schlummerfunktion ihres Weckers. Noch fünf Minuten schlafen. Arbeit,
Schule, womit auch immer ihr Tag regulär beginnt, dazu haben sie keine
Lust. Die
Motivation ist
auf dem Nullpunkt. Trotzdem schieben sich die meisten kurz darauf aus
den Federn, schlurfen schlaftrunken in die Küche und kochen sich einen
Kaffee. Warum eigentlich?
Hinter jedem Tun steckt ein Motiv. Der Begriff „Motiv“ stammt aus dem
Lateinischen von „movere“ für „bewegen“. Ein Motiv versetzt uns in
Bewegung und stachelt zum Handeln an. Oft gibt es nicht nur eine solche
Triebfeder, sondern mehrere. Motivation ist die Gesamtheit der Motive,
die einer Handlung zugrunde liegen. Und die treibende Kraft, die
Menschen zu zielgerichtetem Verhalten veranlasst.
Motor des Handelns
Was die menschlichen Motive kennzeichnet, haben Psychologen in
verschiedenen Motivationstheorien beschrieben. Grundlage der meisten
dieser Theorien ist die Annahme, dass Motivation im Streben nach
erwünschten und im Vermeiden von nicht wünschenswerten Zuständen
besteht.
Bei diesen Zielen handelt es sich im simpelsten Fall um das
Befriedigen überlebenswichtiger physiologischer Bedürfnisse. Also darum,
Hunger und Durst zu stillen, sich bei Kälte zu wärmen, bei Hitze
abzukühlen - und um die Fortpflanzung, die weniger für den Erhalt des
Individuums, wohl aber für den der Art unabdingbar ist.
„Neugeborene lächeln, wenn ihnen ein Wattestäbchen mit Zuckerlösung
in den Mund gesteckt wird und verlangen mehr“, erklärt Neurologe Markus
Ullsperger von der Radboud-Universität Nijmegen. Die Zuckerlösung ist
ein Reiz, der den Wunsch nach Befriedigung des Appetits aktiviert oder
verstärkt, ebenso wie Essensgeruch, und so eine bestimmte
Verhaltensweise, in diesem Fall etwas zu essen, wahrscheinlicher macht.
Objekte, die überlebenswichtige primäre Bedürfnisse befriedigen, wie
Nahrung, wirken von Geburt an und werden deshalb als primäre Verstärker
bezeichnet.
Die motivierenden Ziele können aber auch erworben worden sein, wie
etwa der Wunsch abzunehmen oder das Streben nach Geld oder Besitz. Die
angestrebten Objekte - etwa ein Geldkoffer oder eine schnittige
Motoryacht - werden sekundäre Verstärker genannt. Sie sind zunächst
völlig neutral, bis gelernt wird, dass sie zur Befriedigung primärer
Bedürfnisse herangezogen werden können. Wird diese Art des Lernens positiv genutzt, kann man Verhalten auch
beeinflussen, und zum Beispiel Morgenmuffel dazu bringen, gern zur
Schule zu gehen, weil sie wissen, dass sie ihnen gut tut.
Das Wichtigste in Kürze
- Grundlage der Motivation ist das Streben nach erwünschten und das Vermeiden von unerwünschten Zuständen.
- Manche Motive wie Essen oder Fortpflanzung sind angeboren, andere erlernt, etwa der Drang nach Geld oder Besitz.
- Grundlage unserer Motivation ist die Aktivität des Belohungssystems und die Ausschüttung von Dopamin.
- Sind Motive positiv besetzt, springt unser Belohnungssystem schon in der Erwartung ihrer an.
- Die neuronalen Mechanismen der Motivation können auch zur Sucht führen.
Ich will, was du nicht willst
Was uns motiviert, ist von Mensch zu Mensch teilweise unterschiedlich. Der Psychologe Steven Reiss von der Ohio State University befragte über 7.000 Personen nach ihren
Motiven und stellte dabei fest, dass zwar alle dieselben grundlegenden
Motive haben (nach Reiss sind es 16 an der Zahl), dass jedoch die Stärke
dieser Motive individuell variiert. Das heißt, jeder Einzelne gewichtet
Ziele wie das Streben nach Ehre, Gerechtigkeit und Macht
unterschiedlich. Auch die Frustrationstoleranz bei Misserfolgen etwa ist
bei jedem Menschen anders. Sie zu überwinden, kann auch eine Motivation
werden, etwa bei Leistungssportlern.
Die US-Psychologen John Barbuto und
Richard Scholl unterteilen die Motive nach ihrem Ursprung in
extrinsische und intrinsische. Intrinsisch motiviert sind Handlungen,
die wir um ihrer selbst Willen oder aufgrund unserer persönlichen
Vorstellungen und Maßstäbe ausführen. So musiziert die Pianistin aus
bloßer Freude an der Musik, der Skifahrer rast die Piste hinunter, weil
es ihm Spaß macht, oder jemand wird aus innerer Überzeugung Mitglied
einer Gewerkschaft.
Dem gegenüber ist extrinsisch motiviert,
wer sich bei seinen Handlungen von äußeren Umständen und Anreizen leiten
lässt. Also beispielsweise einen Beruf nur aufgrund der Bezahlung
annimmt oder ein Musikinstrument nur deshalb übt, weil er auf eine
Orchesterkarriere hofft. Auch Normen und Rollenbilder führen oft zu
extrinsisch motiviertem Verhalten. Manche Brautpaare entscheiden sich
für eine Trauung mit weißem Brautkleid und Trauringen nur deshalb, weil
dies in unserem Kulturkreis den konventionellen Vorstellungen von einer
schönen Hochzeit entspricht.
Motivator Nummer 1 – Überleben und Reproduktion!
Für Evolutionsbiologen greift das bisher
beschriebene Verständnis von Motivation allerdings zu kurz. Sie stellen
die Triebfedern menschlichen Handelns in den übergeordneten Kontext der
Darwinschen Evolutionstheorie: Letztendlich ist das biologische Ziel
aller Lebewesen, zu überleben und sich zu reproduzieren.
Steinzeitmenschen mussten Feinde in die Flucht schlagen und sich gegen
die Unbilden der Natur wappnen. Sie mussten essen, damit sie nicht
verhungerten und sich im Winter um ein Lagerfeuer scharen, um nicht zu
erfrieren. Diese und die meisten anderen Verhaltensweisen des Menschen
werden zwar durch viele Einzelmotive angetrieben. Für Evolutionsbiologen
steht aber letztlich das biologische Ziel des Überlebens und der
Fortpflanzung dahinter. Um dies zu verdeutlichen, wird oft das Beispiel
der Nahrungsaufnahme herangezogen.
Die Lust am Essen
Das Essverhalten folgt einem komplexen Wechselspiel zwischen Verdauungsorganen und Gehirn. Der Hypothalamus und die Medulla oblongata,
die direkt über dem Halsende liegende Region des Stammhirns, empfangen
neuronale und hormonelle Signale aus dem Magen-Darm-Trakt und erfahren
so den Grad der Sättigung. Diese Informationen werden von den beiden für
die Regulation von Nahrungsaufnahme und Energiehaushalt der
Nahrungsregulation wichtigen Hirnstrukturen verarbeitet: Bei Hunger wird
der Stoffwechsel in einen energiesparenden Modus gebracht; bei
Sättigung stehen die Zeichen auf Verbrauch.
Das alleine bestimmt jedoch nicht, ob wir
uns den Bauch vollschlagen oder ein Menü verschmähen. Alle durch ein
Essen hervorgerufenen Sinneswahrnehmungen - vom Geruch bis zum Anblick
der Nahrung - werden in Form ihrer elektrischen Signale an einen
viszeraler sensorischer Cortex genannten Bereich der Hirnrinde weitergegeben. Dort werden beispielsweise der Geschmack
im Mund und das Völlegefühl des Magens räumlich getrennt verarbeitet.
Der viszerale sensorische Cortex wiederum ist eng mit dem Belohnungssystem
im Gehirn verschaltet. Dieses spielt für motiviertes Verhalten generell
eine zentrale Rolle – und damit auch für das Essen. Denn erst das
Belohnungssystem beschert uns die Wonne am guten Geschmack, ebenso wie
die Zufriedenheit, die sowohl das bloße Stillen des Hungers als auch ein
Dinner in angenehmer Runde bereitet.
Der Quell der Freude setzt sich als Motiv
fest: „Wenn ich in der Wüste zu verdursten drohe, trinke ich das
scheußlichste Wasser gerne und suche diese Pfütze immer wieder auf, um
meinen Durst zu löschen und zu überleben“, erklärt der Neurologe Niels Birbaumer
von der Uni Tübingen. „Wenn mir das Essen in einem Restaurant exzellent
schmeckt, gehe ich aufgrund dieses einmaligen Geschmackserlebnisses
wieder und wieder dorthin.“ Viele Wege führen zu positiven Gefühlen wie
Freude oder Zufriedenheit und werden so zu einer Motivation. Die
gemeinsame Endstrecke ist dabei jedoch stets das Anspringen des Belohnungssystems.
Am Ende winkt der Lohn
Ob Lottogewinn, Sahnetorte oder Yoga –
wenn wir uns nach bestimmten Dingen oder Zuständen sehnen, ist immer das
Belohnungssystem mit von der Partie. Hirnscans zufolge hat es seinen
Sitz im Mittelhirn sowie in einem innen liegenden Teil des Großhirns, dem Striatum.
Besonders gut verstanden ist dabei das dopaminerge System als
Bestandteil des Belohnungssystems. Bei unerwarteter Freude feuern die
dopaminergen Neuronen salvenartig (burst firing) und schütten den
Botenstoff Dopamin aus. Von
diesem Zeitpunkt an springen dopaminerge Neuronen in Erwartung
desselben Ereignisses immer wieder an. „Auf diese Weise treibt uns das
dopaminerge System wieder und wieder zu den Orten hin, an denen wir
schon einmal eine Belohnung in Form von Freude bekommen haben“,
resümiert Birbaumer.
Dopamin ist allerdings nicht der einzige
Botenstoff im Gehirn, der mit Motivation in Verbindung gebracht wird.
Birbaumer unterscheidet das Phänomen des „Wollens“ von jenem des
„Mögens“. Während das „Wollen“ über Dopamin vermittelt wird, gehen er
und andere Forscher davon aus, dass das „Mögen“ über andere Botenstoffe -
insbesondere Opiate und Endocannabinoide - hervorgerufen wird. Als
Beispiele für „Mögen“ nennt Birbaumer den ästhetischen Genuss beim
Betrachten eines schönen Bildes oder eines Sonnenuntergangs. Beides
suchen die meisten Menschen nicht gezielt auf. Die Freude überkommt
einen beim Betrachten unerwartet. Passionierte Galeriebesucher hingegen
streben gerade nach diesen Momenten der Erbauung. Bei ihnen dürfte das
Mögen in ein Wollen übergegangen sein und Dopamin in Erwartung neuer
Gemälde in ihrem Gehirn anfluten.
Geld, Macht und Erotik
Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren
wurde inzwischen in zahlreichen neurowissenschaftlichen Studien
untersucht, was uns motiviert und wo die Motivation im Gehirn zu
verorten ist. Geld, die Aussicht auf Gewinn, erotische Fotos und
attraktive Gesichter, aber auch wohlschmeckende Fruchtsäfte und soziale
Anerkennung aktivieren in Gehirnscans stets das Belohnungssystem.
Abhängig vom dargebotenen Reiz treten
dabei aber subtile Unterschiede auf. Beispielsweise entdeckten der
Neurowissenschaftler Jean-Claude Dreher und seine Kollegen vom Institut des Sciences Cognitives im französichen Bron 2010, dass der zum Vorderhirn gehörende orbitofrontale Cortex (OFC)
unterschiedlich auf Bikinifotos und Geld anspricht. Erotische Reize
aktivieren vor allem den hinteren Teil dieses Hirnareals – den so
genannten posterioren lateralen OFC.
Dass dieser
entwicklungsgeschichtlich recht alte Bereich des orbitofrontalen Cortex
in diesem Fall reagiert, erklärt Jean-Claude Dreher damit, dass schon
unsere vor hunderttausenden Jahren lebenden Vorfahren beim Anblick eines
attraktiven, sexy Gegenübers freudig und motiviert reagierten. Oder,
wie Evolutionsbiologen sagen würden, reagieren mussten – um das
Überleben der Art zu sichern.
Der vorne, nahe der Augen liegende Teil
des OFC – der anteriore laterale OFC - wird hingegen bei Aussicht auf
finanziellen Gewinn aktiviert. Verglichen mit dem posterioren Teil ist
er entwicklungsgeschichtlich relativ jung, was darauf hinweisen könnte,
dass die Motivation durch sekundäre Verstärker wie Geld erst in jüngerer
Zeit entstanden ist.
Eine weitere Erkenntnis der
neurowissenschaftlichen Forschung lautet: Schon eine bloße Neuheit –
etwas vorher noch nicht da Gewesenes, wie ein unbekanntes Bild – führt
zu einer Aktivierung des Belohnungssystem. Dies belegt neurobiologisch,
was Psychologen schon vielfach nachgewiesen haben: Neugier ist eine
starke Motivation und eine der wichtigsten Triebfedern des menschlichen
Verhaltens.
Gefährlich aufgeputscht
Manche Motive können auch zu Aktivitäten
anstacheln, die der Gesundheit und dem Wohlbefinden schaden. Das ist
etwa bei einer Sucht der Fall. Sucht – Motivation zu schlechten Zielen Alle Drogen beschreiten im Gehirn dieselbe Endstrecke: In Erwartung von Kokain, Nikotin oder Alkohol wird massiv Dopamin im Belohnungszentrum
freigesetzt. Süchtige leiden zugleich erwiesenermaßen unter einem
Belohnungsdefizit. „Sie sind deshalb besonders empfänglich für den
Drogenkick“, glaubt Christian Büchel
vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Der Sucht liegt also
gewissermaßen eine Schieflage des Motivationssystems im Kopf zu
Grunde. Aber Hand aufs Herz: So manch einem hilft morgens erst die
Aussicht auf einen starken Kaffee aus dem Bett. Und mit Koffein im Blut
fällt es schon viel leichter, sich für den Tag zu motivieren.
"Triebfedern des Tuns" von Susanne Donner - gefunden im Internet auf www.dasGehirn.info – ein Projekt der Gemeinnützigen
Hertie-Stiftung, der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft e. V. in
Zusammenarbeit mit dem ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie
Karlsruhe.
|
Die Wissenschaft der Gedankenführung - Nutze die Kraft deiner Gedanken. |